VERSICHERUNGEN
Versicherungsschutz während Covid-19: Wer haftet, wer zahlt?
Welche Versicherungen und Haftungen können unter der aktuellen Corona-Krise in Anspruch genommen und angewandt werden? Finden Sie hier alle Antworten zu Betriebsunterbrechungsversicherungen, Kostenersatz & Co.
Österreichs Wirtschaft ist im Ausnahmezustand: Kurzarbeit und Produktionseinbußen sind derzeit eher die Regel als die Ausnahme. Die Regierung will mit einem Hilfspaket im Ausmaß von 38 Milliarden Euro die gröbsten Auswirkungen der Corona-Krise abfedern. Doch heimische Unternehmen stehen vor vielen weiteren Fragen, vor allem was Haftungen und Versicherungsschutz angeht. Die Beratungs- und Versicherungsgruppe Koban hat dazu einige Antworten.
Unter welchen Umständen greift die die Betriebsunterbrechungsversicherung (BU-Versicherung)?
Die BU-Versicherung wird ausbezahlt, wenn der Betrieb durch einen versicherten Sachschaden gestört oder unterbrochen ist. Sie greift also nicht, wenn Mitarbeiter krank sind, nicht zur Arbeit erscheinen dürfen oder wenn Lieferanten oder Logistiker aufgrund behördlicher Maßnahmen nicht liefern können, da kein Sachschaden vorliegt.
Haften Unternehmer bei Organisationsverschulden wie fehlender Notfallpläne oder falscher Lagerhaltung – und ist dies über die D&O-Versicherung gedeckt?
Es gibt grundsätzlich keinen Corona-Ausschluss in der D&O-Deckung. Sollte in einem konkreten Fall die unzureichende Lagerhaltung aufgrund einer schuldhaften Pflichtverletzung eines Organnmitglieds kausal zu einem Vermögensschaden bei versicherten Unternehmen und damit zur Haftung der versicherten Person führen, bestünde daher im Grundsatz Haftpflichtversicherungsschutz (Abwehr unbegründeter Schadensersatz-Ansprüche mit Zahlung von Abwehrkosten an die versicherten Organmitglieder, Ausgleich begründeter Schadensersatz Ansprüche) über die D&O-Versicherung.
Haften Unternehmen den Abnehmern gegenüber, weil etwa der Betrieb gesperrt oder es keine Grundstoffe oder Halbfertigprodukte mehr beziehen kann? Besteht hier Versicherungsschutz?
Sobald sich abzeichnet, dass es zu Lieferverzögerungen kommt, sollten die zugrundeliegenden, vertraglichen Vereinbarungen umfassend geprüft werden. Welche Regelungen gelten bei Lieferverzug? Wie sind Fälle höherer Gewalt definiert und welche Folgen ergeben sich für den konkreten Vertrag? Welche Informationspflichten wurden gegenüber dem Abnehmer übernommen? Die Haftung von Schäden aus Verzug kann nur individuell unter Beantwortung dieser Fragen beurteilt werden.
Im Zusammenhang mit der Auslieferung von Erzeugnissen besteht im Regelfall kein Versicherungsschutz für Nacherfüllungs- oder Schadenersatzs-Ansprüche wegen Vermögensschäden aus Verzug. Dies gilt ebenfalls für Vertragsstrafen, die zwischen Unternehmen und Abnehmer vereinbart wurden oder aber entlang der Lieferkette beim Unternehmen regressiert werden.
Besteht Versicherungsschutz, wenn ein Mitarbeiter eines Unternehmens Mitarbeiter eines anderen Unternehmens mit Covid-19 infiziert hat und dieses vorübergehend geschlossen werden muss?
Betriebshaftpflichtversicherungen kennen hierzulande üblicherweise keinen Risikoausschluss bzgl. konkreter Viruserkrankungen wie COVID-19. Zwar enthalten die zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) einen Ausschluss von Ansprüchen wegen Personenschäden, die aus der grobfahrlässigen oder vorsätzlichen Übertragung einer Krankheit des Versicherungsnehmers resultieren. Dieser Ausschluss betrifft dabei aber nicht die Unternehmen (Arbeitgeber), sondern vielmehr natürliche Personen (Arbeitnehmer), die bei reinen Vermögensschäden der dargestellten Art nicht Anspruchsgegner sind. Versicherungsschutz für diese Vermögensschäden könnte also
bestehen. Zu beachten ist jedoch, dass eine konkrete Entschädigung aus einem Haftpflichtversicherungsvertrag stets auch eine gesetzliche Haftung des Versicherungsnehmers voraussetzt. Andernfalls erfolgt die Abwehr unbegründeter Schadenersatzansprüche durch den Haftpflichtversicherer.
Sind Spediteure für die Nichteinhaltung von zugesagten Lieferterminen und die dadurch entstandenen Kosten haftbar?
Einer schriftlichen Erklärung des Absenders oder des Empfängers an den Spediteur, in der etwaige Ersatzansprüche geltend gemacht werden, spricht in einem ersten Schritt nichts entgegen. Ob hierdurch laufende Fristen wirksam gehemmt werden, hängt formaljuristisch von der Wirksamkeit der formulierten Haftbarhaltung selbst ab. Grundsätzlich stellt sich die Frage allerdings danach, ob der Spediteur für den eingetretenen Schaden überhaupt zu haften hat. Handelte es sich um ein unabwendbares Ereignis? Hätte der Schaden auch bei äußerster Sorgfalt des Spediteurs vermieden werden können? Dies gilt es unter Betrachtung der Sachlage im Einzelfall genau zu beurteilen.
Welchen Versicherungsschutz benötigen Unternehmen, um sich gegen ungerechtfertigte Maßnahmen der Behörde zu wehren?
Im Rahmen einer Firmen-Rechtsschutzversicherung ist Kostenschutz erhältlich, sofern sich Unternehmen gegen Maßnahmen von Verwaltungsbehörden vor Verwaltungsgerichten zur Wehr setzen.
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Ist es möglich, Kosten durch eine Verzögerung der Seereise durch die aktuellen Maßnahmen zum Coronavirus bei der Waren-Transportversicherung geltend zu machen?
Grundsätzlich bietet die Waren-Transportversicherung Deckung für Schäden, die bei der Beförderung und Zwischenlagerung von Gütern entstehen können. Güterfolge- und Vermögensschäden werden hierunter zumeist ebenso mitversichert. Zu beachten gilt jedoch in der aktuellen Lage, dass in den meisten Bedingungswerken die Gefahren der Beschlagnahme, Entziehung oder sonstiger Eingriffe von hoher Hand (somit u.a. behördliche Eingriffe) leider ausgeschlossen. Somit gilt es in der Einzelfallbetrachtung zu klären, welche Kostenpositionen genau aus welchem Grund anfallen und unter welchen Gesichtspunkten eine ggf. vorliegende Deckung für „reine Vermögensschäden“ greift.
Haben Aussteller die Möglichkeit eines Kostenersatzes bei abgesagten Veranstaltungen – und müssen Veranstalter befürchten, Kosten des Ausstellers tragen zu müssen?
Hierbei ist einerseits der Grund der Absage entscheidend, sowie die vereinbarten Messe- und Ausstellungsbedingungen. In den Fällen von „höherer Gewalt“ hängt es häufig zudem von der Kurzfristigkeit der Absage ab, ob oder welche Kostenanteile (z.B. Standmiete) überhaupt durch den Veranstalter erstattungspflichtig sind. Hat der Aussteller keinen Rechtsanspruch auf Teil-/Rückzahlung der Standmiete, muss er diese eigens tragen. Sonstige Vermögensschäden sind in solchen Fällen in der Regel ebenso von der Ersatzpflicht ausgeschlossen. Somit tragen Aussteller ggf. Kosten, die nicht im Rahme der Haftung des Veranstalters gedeckt sind. Ein entsprechender Versicherungsschutz über eine erweiterte Ausstellungsversicherung kann somit einem finanziellen Verlust durch verfallene Standgelder und Transportkosten bei Messeausfällen vorbeugen. Zu beachten ist jedoch auch hier, dass der Deckungsschutz für behördlich angeordnete Messeabsagen häufig über die Allgemeinen Versicherungsbedingungen beschränkt ist.
Ob Veranstalter bei der Absage eines Events für Kosten des Ausstellers aufkommen müssen ist davon abhängig, aus welchem Grund die Messe/Veranstaltung abgesagt wird und welche Messe- und Ausstellungsbedingungen mit den Ausstellern vereinbart wurden bzw. zu welchen Bedingungen die Aussteller eine Buchung vorgenommen haben. Häufig finden wir hier Klauseln, die eine Haftung des Veranstalters für unvorhergesehene Ereignisse, die eine planmäßige Abhaltung der Messe/Ausstellung unmöglich machen und nicht vom Veranstalter zu vertreten ist, ausschließen. Ob diese im Einzelfall rechtlich wirksam sind, gilt juristisch zu prüfen.
Deckt eine Veranstaltungsausfallversicherung auch Kosten für Schäden aus präventiv abgesagten Events zur Reduzierung einer Ansteckungsgefahr bezüglich des Coronavirus?
In den meisten Bedingungswerken der Veranstaltungsausfallversicherung zählen Epidemien und Seuchen per se zu den nicht versicherten Gefahren. Zwar bieten einige Versicherer den Einschluss über Zusatzvereinbarungen an, allerdings in diesen Fällen unter Einberechnung eines entsprechenden Risikozuschlags. Bei neu zu installierenden Polizzen oder
dem Wunsch nach einer erweiterten Deckungslösung zeigt sich der Versicherungsmarkt, wie erwartet, aktuell sehr risikoavers. Somit gilt im Einzelfall vorab zu prüfen, welchen Deckungsumfang die betroffene Versicherungspolizze vorsieht. Eine rein präventive Absage von Veranstaltungen führt im Regelfall nicht zu einem versicherten Schadenfall.
Quelle: https://industriemagazin.at